Wer sich als Zahnarzt auf den aktuellen Wissensstand bringen will, wie Amalgamfüllungen sich auf den Quecksilber Gehalt im Blut auswirken, sollte die ersten Kapitel der Doktorarbeit von Dipl. Psych. Anton Rudolf mit dem Titel „Der Einfluss von Gefährdungskognitionen, Arousal und Aufmerksamkeit auf den Symptombericht: Ergebnisse einer Studie zur Entwicklung amalgambezogener Beschwerden.“ lesen. Falls es Sie überrascht: ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Menge der Amalgamfüllungen und der Höhe des Quecksilber Gehaltes im Blut.
Der Autor der Arbeit geht in seinen umfangreichen Vorbemerkungen in immerhin 11 Seiten detailliert auf die derzeit bekannten Fakten zur Quecksilber Aufnahme des Menschen aus verschiedenen Quellen, insbesondere auch Amalgamfüllungen ein, wie der nachfolgende Auszug aus der Inhaltsangabe zeigt:
2 Amalgam in der Zahnheilkunde 3
2.1 Geschichte des Füllungsmaterials 3
2.2 Quecksilber 4
2.2.1 Quecksilberaufnahme beim Menschen 5
2.2.2 Aufnahme von Quecksilber aus Amalgamfüllungen 6
2.2.3 Quecksilberbelastung im Blut und im Urin 7
2.2.3.1 Toxikologische Bedeutsamkeit 9
2.2.4 Quecksilberbelastung im Speichel 11
2.3 Quecksilberbelastung aus Amalgamfüllungen und gesundheitliche Beschwerden –
Epidemiologie 11
Es versteht sich von selbst, dass die dort getätigten Aussagen mit aktueller Sekundärliteratur untermauert werden.
Soweit zum Vorwort. In der eigentliche Aussage des experimentellen Teils dieser Arbeit geht es um die Frage, wie genau sich amalgambelastete Menschen (laut eigener Aussage) von Durchschnitts Menschen unterscheiden. Genauer gesagt, ist es der unterschiedliche Quecksilber Gehalt im Blut, oder sind es völlig andere Messwerte, die den Unterschied zwischen den 0,1 % Amalgamgeschädigten und den 99,9% Nichtgeschädigten ausmachen?
Zitat Anfang (aus der Dissertation s.o.)
Zusammenfassung
THEORETISCHER HINTERGRUND: Amalgamassoziierte Störungen sorgten in den 90erJahren des vergangenen Jahrhunderts für heftige Diskussionen in der gesundheitsorientierten Öffentlichkeit. Eine erhebliche Zahl von Betroffenen meldete sich zu Wort und führte eine Reihe von körperlichen und psychischen Beschwerden auf die Wirkung von freigesetztem Quecksilber aus amalgamhaltigen Zahnfüllungen zurück. Die wissenschaftliche Befundlage lieferte dagegen insgesamt nur wenig Unterstützung für diese Annahme. Auf der Basis der vorliegenden empirischen Befunde erstellten Bailer et al. (2000) ein Erklärungsmodell zur Entstehung dentalmaterialbezogener somatoformer Störungen. Dieses Modell lehnt sich an entsprechende Modelle somatoformer Störungen an. Es erklärt die Entstehung und Aufrechterhaltung der Beschwerden auf der Basis psychologischer Mechanismen, insbesondere einer individuell erhöhten psychischen Vulnerabilität sowie eines somatoformen Aufschaukelungsprozesses in Form eines Teufelskreises. FRAGESTELLUNG: Überprüft werden Hypothesen, die sich aus dem postulierten Erklärungsmodell ableiten lassen. Wie und in welchem Ausmaß unterscheiden sich amalgamsensitive Probandinnen in ihrer Befindlichkeit, in der Quecksilberbelastung und in ihrer Vulnerabilität von der Kontrollgruppe? Unterscheiden sich die beiden Gruppen in der Bewertung von körperlichem Arousal? METHODE: Mittels eines Screening-Fragebogens wurden Probandinnen identifziert, die der Überzeugung waren, dass ihre Gesundheit durch Quecksilber aus Amalgamfüllungen bereits erheblich geschädigt sei (Amalgamsensitive, N =40) Diese wurden im Rahmen einer Kontrollgruppenuntersuchung mit einer Gruppe von amalgamindifferenten Probandinnen verglichen (N =43). Alle Probandinnen wurden einer zahnmedizinischen, einer arbeitsmedizinischen einschließlich einer toxikologischen sowie einer psychologischen Untersuchung unterzogen. Die Verarbeitung von körperlichem Arousal wurde mittels einer experimentalpsychologischen Anordnung untersucht. ERGEBNISSE: Amalgamsensitive Probandinnen wiesen eine ausgeprägte Befindlichkeitsstörung auf, sie unterschieden sich dabei deutlich von den Probandinnen der Kontrollgruppe. Dabei fanden sich vor allem erhöhte Werte im Bereich unerklärter körperlicher Symptome (SOMS-Fragebogen und SCL-90R-Skala Somatisierung). Dies spiegelte sich auch in einer erhöhten Zahl an Diagnosen somatoformer Störungen wider. Kein signifikanter Unterschied fand sich in den untersuchten Parametern der Quecksilberbelastung im Speichel, im Blut und im Urin. Ein substantieller Teil der Unterschiede in der Befindlichkeit ließ sich regressionsanalytisch durch die Vulnerabiltitätsfaktoren erklären, wobei insbesondere Trait-Ängstlichkeit und Kognitionen zur körperlichen Schwäche (FKG-Fragebogen) eine zentrale Rolle spielten. Bei der Untersuchung zur Bewertung von körperlichem Arousal fand sich bei den amalgamsensitiven Probandinnen eine signifikant ausgeprägtere Einschätzung der körperlichen und emotionalen Auswirkungen des induzierten Arousals. Weitere differentielle Effekte ließen sich nicht nachweisen. SCHLUSSFOLGERUNG: Die Ergebnisse der Studie legen eine psychologische Verursachung der beklagten Beschwerden nahe. Es fanden sich keine Hinweise, die eine toxikologische Ätiologie der Beschwerden belegen.
Zitat Ende
Ganz kurze Fassung für Nichtfachleute
Der Doktorand Anton Rudolf beweist in seiner Arbeit, dass Amalgamsensitive (= sich selbst als „Amalgamgeschädigte“ Bezeichnende) keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich der Metall Messwerte im Blut und Urin oder eine Allergisierung gegenüber Gesunden aufweisen, aber unter viel mehr Befindlichkeitsstörungen wie Rückenschmerzen, Kribbeln, Müdigkeit usw. leiden. Unterziehen sich Amalgamsensitive standardisierten Fragebögen, die das Auftreten einer Depression, einer Angststörung oder sonstige psychiatrische Auffälligkeiten zuverlässig erfassen können (z.B. dem SCL-90), dann ergibt sich regelmäßig das Bild von Menschen, die sich selbst als körperlich schwach erleben, die eine Neigung zur Besorgnis, Unwohlsein und rascher Ermüdung aufweisen und häufig auch die Kriterien für bestimmte psychiatrische Krankheiten erfüllen bzw. fast erfüllen, darunter die Depression.
Ein weiteres Zitat auf Seite 109 der Doktorarbeit bringt zusätzliche Hinweise, dass die Amalgamsensitiven keine solchen sind:
Natürlich kann die Hypothese nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass eine Teilgruppe von Patienten eine besonders hohe Sensibilität gegen niedrige Quecksilberdosen aufweist. Bisher liegen allerdings keine Befunde vor, die eine solche Hypothese empirisch stützen und es existiert auch kein Test oder Verfahren zur Diagnostik einer solchen Sensibilität. Gottwald et al. (2002) konnten vielmehr zeigen, dass in einer selbstdiagnostizierten Amalgamgruppe, der Anteil von Personen mit Quecksilberkontaktallergie dem Anteil in der Gesamtbevölkerung von 2% entspricht. Die Ergebnisse von Strömberg et al. (1999) widersprechen ebenfalls der Hypothese einer hohen Sensibilität von Amalgampatienten gegen Quecksilber. In dieser Untersuchung mit Doppelblinddesign zeigten sich, keine Unterschiede zwischen Amalgampatienten und einer Kontrollgruppe, in den berichteten Auswirkungen auf die Inhalation von geringen Dosen an Quecksilber.
Ende Zitat
Kommentar
Der Doktorand zeigt auf 147 Seiten genau das auf, was die „Amalgamgeschädigten“ niemals zugeben werden: „it’s all in the head“ (= kommt alles vom Kopf). Das hier unten noch zuletzt präsentierte Zitat der Seite 109 rundet das Experiment mit den 40 Amalgamsensitiven und 43 Amalgamindifferenten (= Normalen) ab. Zum einen bleibt der Anteil der Kontaktallergiker bei den sich selbst als amalgamgeschädigt einstufenden Menschen erstaunlicherweise weiter bei 2%, wie in der Allgemeinbevölkerung und zum anderen unterscheiden sich die Vorkommnisse beim Einatmen von Normalluft und von Quecksilber haltiger Luft auch bei den „Amalgamgeschädigten“ kein bißchen, wenn weder die untersuchte Person, noch die Untersucher den Luftinhalt kennen.
Das macht das Konzept „Amalgamgeschädigte/r“ reichlich dubios, um nicht zu sagen: zu einer Fehlbezeichnung.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Die hier zitierten Ergebnisse sagen lediglich aus, dass der Quecksilbergehalt bei Beschwerdeträgern und beschwerdefreien Personen zum Analysezeitpunkt gleich hoch ist. Allein aufgrund dieser Feststellung wird die Ausgangsthese „bestätigt“, dass die Beschwerdeträger somatoform erkrankt seien.
Warum haben einige Tschernobyl/Seveso überlebt, andere sind sofort oder verzögert gestorben bei gleichhoher Belastung?
Ist hier psychosomatisch die richtige Antwort?
Sicherlich nicht. Es kommt auf die individuelle „Resistenz“ an. Eine Vielzahl von Faktoren lassen sich heute labortechnisch sehr gut diagnostizieren mit denen brauchbare Rückschlüsse auf die individuelle Resistenz/Empfindlichkeit gezogen werden können.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Die individuelle Prädisposition wäre im Hinblick auf das Untersuchungsziel von weit größerer Bedeutung gewesen, als die Messung der Hg-Belastung. Statt dessen findet eine manipulative „Beweisführung“ statt, die so gestrickt ist, dass die Annahme „“Amalgamgeschädigte“ haben nichts weiter als eine somatoforme Störung“ mit einer Schmalspurlaboranalytik und medizinisch unhaltbaren Rückschlüssen bestätigt wird.
Zu Ihrer Info: ich bin nicht Amalgamgeschädigt und stehe dem Thema weder pro noch contra gegenüber und betreibe auch kein umweltmedizinisches Labor oder ähnliches. Jedoch sollte medizinisches Schmalspurdenken allerhöchstens zur Erklärung einfacher Reiz-Reaktions-Mechanismen Verwendung finden.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Ich denke hier sollte man die ganze Studie veröffentlichen, damit man auch einen richtigen Überblick hat, ob diese Angaben hier überhaupt stimmen.
Wenn hier ein Vergleich zu der Bildung und sozialen Aspekten gezogen wird, so kann ich dazu sagen die mit der besseren Bildung haben mehr Geld und können sich anderes Füllmaterial leisten, als ein Geringverdiener. damit ist schon wieder ein Beweis für eine falsche Studie oder Arbeit belegt.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Hallo, ich stimme sowohl frego als auch Melanie zz. Wie allgemein bekannt sein dürfte, kann ein und dieselbe Erkrankung bei dem einem nur geringgradig in Erscheinung treten, während ein anderer daran verstirbt. Wenn sich ein Psychiater zu Krankheiten äussert, dann kennt man auch dessen Zielrichtung. Derartige „Studien“ oder Doktorarbeiten sind mir ohnehin suspekt. Mir fällt dazu nur die Äusserung des Politikers Peter Paterna ein: „Wenn Sie mit den Füßen im kalten Eiswasser stehen und mit dem nackten Hintern auf einer heißen Herdplatte sitzen, dann haben Sie im statistischen Durchschnitt eine angenehme Körpertemperatur.“ Wie wahr!
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Ist doch klar, ein Psychologe sucht nach psychischen Aspekten um seinem Berufszweig auch eine Daseinsberechtigung zu geben.
Beim Thema Amalgam hat man da dankbar Schützenhilfe von den Amalgambefürwortern.
Genauso gibt es Dissertationen die genau das Gegenteil aussagen.
„Studien zur Quecksilberbelastung in Verbindung mit Amalgamfüllungen“.
http://toxi.dl.uni-leipzig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/PGSToxi_derivate_00000094/047_Etzold_Grit.pdf;jsessionid=6edhgms8u8ph2?hosts=
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Däumchendrücker & Co
hat jemand die Arbeit in toto „gelesen“ oder nicht mehr als diesen Excerpt?
Sind Methodik (Vorbereitung, Verblindung, Erfassung, Auswertung) hinreichend offengelegt und kritisch analysiert worden?
Ja, von wem?
frego, shreddern Sie bitte die Studie auch in der zuständigen Literatur, wenn offenkundige und grobe Fehler vorliegen.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Zum Hintergrund – bei der Doktorarbeit sind z.B. Hautzinger u. Bailer als Gutachter genannt. Von diesen Autoren findet man ganz auffällig solche Literatur, die umweltbezogene Krankheiten immer wieder psychisch einstufen. Bailer verfasste z.B. Literatur mit Staehle u. Triebig (Triebig wird immer wieder im Zusammenhang mit Falschgutachten genannt). Bei diesem Hintergrund weiß man doch sofort auf was die Arbeit hinausläuft.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Mit nicht mehr als ca. 2ng (2 Mügramm= 2 Tausendstel Gramm) waren sowohl die Personen ohne jedwede Beschwerden, als auch die „Amalgamvergifteten“ belastet. 2 ng liegt weit unter dem zulässigen Grenzwert und Fischesser in Küstengebieten haben um das 20-fache erhöhte Quecksilberwerte.
Diese geringen Mengen an Quecksilber können auf vielen Wege in den Körper gelangen, nicht nur durch Amalgam.
Bei 2 ng von einer Vergiftung zu sprechen, klingt nach einer Doktrin, mit der sich Geld verdienen läßt.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Was soll diese Studie in Bezug auf tatsächlich Amalgamgeschädigte beweisen??? Es wurden Leute befragt, die sich selbst (!) als amalgamgeschädigt diagnostiziert haben. Das hat wohl eher Aussagekraft bezüglich „Amalgam-Hypochondern“, aber nicht über psychischen die Auswirkungen einer tatsächlichen Amalgambelastung. Dann hätte man Patienten mit einem amalgamrelevanten Befund auswählen müssen, z.B. mit erhöhten Queksilberwerten im Blut oder mit einem positiven Epikutantest. Aus dieser Studie den Schluss zu ziehen, alle amalgamopfer seien psychosomatiker, ist völliger Blödsinn!!!
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Blutuntersuchungen oder Epikutantest bei einer Amalgamvergiftung sind völlig nutzlos.
1. Hg ist ein Speichergift, also bei einer chronischen Belastungen in den Organen und dem ZNS aber nicht im Blut zu finden.
2. Ein Epikutantest sagt etwas über ein Allergie aus, aber nichts über eine toxische Belastung.
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
[quote name=“maglama“]Was soll diese Studie in Bezug auf tatsächlich Amalgamgeschädigte beweisen???
Es wurden Leute befragt, die sich selbst (!) als amalgamgeschädigt diagnostiziert haben.
Das hat wohl eher Aussagekraft bezüglich „Amalgam-Hypochondern“, [..][/quote]
Im 3-ten Satz haben sie ihre Frage bereits selbst beantwortet 😉
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Zitat:
Der Doktorand zeigt auf 147 Seiten genau das auf, was die „Amalgamgeschädigten“ niemals zugeben werden: „it’s all in the head“ (= kommt alles vom Kopf).
Zitatende
8)
RE: Sehr lesenswerte Doktorarbeit über die Entwicklung amalgambezogener Beschwerden
Genau…..Hg richtet ganz viel im Kopf an: Hier aus einer Vorlesung im Bereich Neurotoxizität von Quecksilber.
„Neurotoxikologie Dr. Dr. Ana-Maria Florea
Institut für Neuropathologie HH Universität Düsseldorf
Autopsie eines 8 Jahre alten Kind
Atrophie von: Großhirnrinde
Corpum callosum weißer Substanz
Mikroskopisch:
Parazentraler Cortex
(Hämatoxylin und Eosin Färbung)
Diffuse Gliose mit Nervenzelleverlusten
Intralysosomales Quecksilber in der Großhirnrinde und in spinalen Motorneuronen (Versilberung)
Moderate Atrophie der Rinde mit schwacher Färbung des Gennari’schen Bandes (Klüver-Barrera Färbung)
Verlust der Körnerzellen, Reduzierter Bestand an Purkinje Zellen (Klüver-Barrera Färbung, 60X)
Quecksilberablagerung in Kleinhirn 300X“