Am 01.11.2015 erschien folgende Stellungnahme zum Thema Trigeminusneuropathie in der zahnärztlichen Standeszeitschrift „ZM“ auf Seite 105. Sie bezieht sich auf einen längeren Beitrag der langjährigen Journalistin des Blattes mit dem Thema: „Chroniker sind unterversorgt“. Verfasst wurde die Stellungnahme von Frau Dr. Dr. M. Daubländer / Mainz und Herrn Dr. Dr. P.W. Kämmerer / Rostock.
Aus Sicht der Zahnmedizin
Trigeminusneuropathie
Eine Trigeminusneuropathie entsteht durch Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems. Kennzeichnend sind Taubheitsgefühle und Empfindungsstörungen. Es kommt zu Einschränkungen bei alltäglichen Dingen wie Sprechen, Essen, Trinken, Lachen und Küssen. Zeitgleich können quälende Nervenschmerzen auftreten. In diesem Fall lautet die Diagnose: schmerzhafte Trigeminusneuropathie. Die Patienten sind in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt und ziehen sich mehr und mehr aus ihrem sozialem Umfeld zurück. Ängste bezüglich ihrer Erkrankung verstärken die Symptomatik.
Neuropathische Schmerzen sind gekennzeichnet durch einschießende, brennende, schneidende oder/und lang anhaltend stumpfe Schmerzen. Leider wird die Trigeminusneuropathie häufig zu spät diagnostiziert mit der Folge, dass die Schmerzen chronifizieren. Sensorische Veränderungen sollten daher umgehend standardisiert differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.
Mit der Quantitativ Sensorischen Testung (QST), entwickelt vom Deutschen Forschungsverbund für neuropathischen Schmerz (DFNS), steht eine Methode zur neurophysiologischen Charakterisierung sensorischer Auffälligkeiten zur Verfügung. Es handelt sich um ein nicht-invasives physiologisch-psychologisches Verfahren, das thermische und mechanische Wahrnehmungs und Schmerzschwellen detektiert und darüber Rückschlüsse auf die Funktionalität unterschiedlicher Nervenfasern zulässt. Sensorische Defizite (Hypästhesie) oder Überempfindlichkeiten (Dysästhesiel Hyperästhesie) werden ebenso aufgedeckt wie erhöhte Schmerzempfindungen gegen über schmerzhaften (Hyperalgesie) und nicht schmerzhaften Reizen (Allodynie). Für die Trigeminusneuropathie zeigen sich thermale und mechanische Wahrnehmungsdefizite. Die Schmerzempfindungen variieren individuell sehr stark.
Diese neurophysiologische Charakterisierung wird ergänzt durch eine detaillierte Schmerzanamnese mittels eines speziell für neuropathische Schmerzen entwickelten Fragebogens (painDETECT). Schmerz intensität, -muster und -qualität werden ermittelt.
Die Diagnostik wird ergänzt durch Fragebögen zur psychischen Komorbidität (HADS).
Basierend auf dieser ausführlichen Untersuchung der Patienten ist es möglich, eine geeignete, mechanismenbasierte, in der Regel medikamentöse Therapie zu beginnen. Erweitert wird diese um multimodale Therapieansätze (vor allem Edukation und nicht medikamentöse Verfahren) um die Schmerzen zu reduzieren, die Schmerzbewältigung zu verbessern, Ängste zu minimieren und somit das Coping und die Lebensqualität zu steigern. Da nicht jeder Patient auf jedes Medikament gleich gut anspricht, muss die Effizienz der Therapie innerhalb der ersten Wochen verfolgt und individuell angepasst werden. Das Rückgrat bilden dabei als Koanalgetika die Antikonvulsiva und trizyklischen Antidepressiva. Durch die Initiative der europäischen Schmerzförderation (EFIC) zusammen mit der International Association for the Study of Pain (IASP) ist die Auseinandersetzung zum Thema neuropathischer Schmerz im Jahr 2015 intensiviert worden. Unser derzeitiges Wissen über Ursache, Diagnostik und Therapie des neuropathischen Schmerzes muss nun vermehrt in die Zahnmedizin transferiert werden.
Univ.-Prof. Dr. Dr. Monika Daubländer
Leitende Oberärztin der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie
Augustusplatz 2,
55131 Mainz
Dr. Dr. Peer W. Kämmerer
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie der Universität Rostock
Schillingallee 35,
18057 Rostock
Fragebogen (painDETEC): http://bit.ly/1RnJ6UP
Kommentar
Wenn Sie mich (Joachim Wagner, Zahnarzt) fragen, was dazu anzumerken ist, dann …
Inhaltlich bleiben unsere beiden Vertreter der Zahnmedizin beim Textbuch für Neuropathie. Sie haben sogar neuere Fragebögen und Tests zur Hand (QST, painDETECT, HAD-S), mit dem sie die Krankheit diagnostizieren würden. Aber alles bleibt theoretisch und der Bezug zu konkreten Fällen will nicht aufkommen. Wenn da mal nicht Copy und Paste im Spiel war.
Als Kenner würde ich den zum Teil lebensvernichtenden Dauerschmerz in den Mittelpunkt des Artikels gestellt haben und nicht solch verharmlosenden „Einschränkungen bei alltäglichen Dingen wie Sprechen …“ Dazu fehlt die Erwähnung, dass die Betroffenen jahrelang von Behandler zu Behandler wandern, ohne auch nur einmal in die richtige Richtung verwiesen zu werden, selbst an der Universität (z.B. Münster). Was die Praxistauglicheit der erwähnten Tests angeht, will ich mir kein Urteil erlauben, meine aber, dass die Aufnahme einer halbwegs genauen Schmerzgeschichte bei nahezu jedem der Schmerzgeplagten zur eindeutigen Diagnose führt. Wenn mir ein solcher Patient seine typische Geschichte mit 10 Vorbehandlern, etlichen entfernten Zähnen und immer weiter zunehmender Schmerzstärke erzählt, brauche ich keine QST oder HAD-S Tests mehr.
Deswegen sage ich: Diese theorielastige Stellungnahme s.o. läßt die Vermutung zu, dass die Verfasser selbst nicht wissen, worüber sie reden.
Ein sehr interessanter Beitrag! Kann ich nur weiterempfehlen, dass sich die Zahnärzte diesen Beitrag zu Kenntnis nehmen.
Hallo Herr Doktor Wagener.Ich kann Ihnen nur beipflichten.Sie haben recht mit der Annahme das z.b Frau Doktor Daubländer leider nicht weiß wovon Sie spricht .Ich habe mich bei Ihr vorgestellt wegen schon einige Jahre anhaltender Gesichtsschmerzen. Leider war das eine große Enttäuschung und sie hat es noch nicht einmal für nötig gehalten sich sich meine Zähne an denen schon einiges passiert ist anzusehen.Karin Hanses
Die Frage Frau Hanses meinerseits wäre eher:was hat Sie denn bei Ihnen gemacht?Wurden denn brav alle Test durchgeführt die oben so großspurig erläutert wurden?Das wäre ja das erste wo mit freuden Seitens der ärzte ran gegangen werden sollte.